Frauen unter Besatzung
In diesem Abschnitt werden sensible Themen wie Vergewaltigungen an Frauen behandelt. Es kommt zwar zu keinen konkreten Beschreibungen, aber dennoch kann dieser Teil für einige Menschen,
besonders Betroffene oder jünger Schüler:innen, negative Folgen haben. Daher bitte ich alle, diesen folgenden Abschnitt nur mit Vorsicht zu lesen und notfalls einfach zu überspringen!
Dass es den Menschen unter der französischen Besatzung nicht wirklich gut ging, sollte klar sein. Aber oft ist nicht ganz klar, wie genau die Menschen, und hier jetzt ganz speziell
auch Frauen, von den Besatzern behandelt wurden. Einerseits weil diese Zeit schlecht erforscht ist. Und andererseits, weil es auch unangenehme Fragen sind, die man sich zu dieser Zeit stellen muss.
Reutlingen wurde am 20. April 1945 nach harten Kämpfen besetzt, wobei rund 55 Menschen aus der Bevölkerung starben. Direkt nach der Besetzung wurde die Bevölkerung schikaniert und geplündert. Auch
in Reutlingen, wie auch in vielen anderen besetzten deutschen Gebieten, richtete sich die Gewalt vor allem gegen die Bevölkerung.
Auch in Reutlingen kam es in schon in der Zeit während und unmittelbar
nach der Besatzug zu einem der schlimmsten Grenzbrüche, den man sich vorstellen kann: Hundertfache Vergewaltigungen an Frauen. Es ist allerdings schwierig, genaue und vertrauenswürdige Zahlen
zu finden. Zumal viele Opfer auch schwiegen. Dass Vergewaltigungen aber stattgefunden haben, auch in Reutlingen, in unserer Stadt, daran gibt es keine Zweifel. Und das, obwohl amerikanische und
französische Militärführung einen "gerechten und humanen" Frieden zusicherten. Man wollte keinen "Friede der Rache". Irgendwie sieht das gerade aber etwas anders aus. Nicht, als kämen man als
"siegreiches Herr und nicht als Erdrücker". Eher ganz im Gegenteil. Genau so sah es nämlich aus.
Um aber wieder auf das Hauptthema zurückzuführen: Grenzbrüche in Form von Vergewaltigungen an
Frauen. Nach der Besetzung am 20. April 1945 folgten entsetzliche Tage für die Reutlinger Bevölkerung. Französische Soldaten drangen in Häuser ein und vergewaltigten Frauen und teils noch junge
Mädchen. Dabei wird an manchen Orten auch davon berichtet, dass es eine "3-tägige Freiheit" in solchen gewalttätigen Dingen gab. Kein Mädchen, keine Frau war vor den Soldaten sicher. Was
geschah waren unzählige, unbegründete und schreckliche Vergewaltigungen. Die heimische Bevölkerung versuchte zwar durch viele Mittel, solche Vergehen zu verhindern: Türen und Häuser wurden
verriegelt, man begab sich in großen
Gruppen in Häuser, Männer wurden ins Haus geholt. Alles hatte leider nur teilweisen Erfolg.
Der regelmäßige Durchzug von Soldaten in die Kampfgebiete im Osten verschlimmerte die
gesamte Situation nur noch weiter.
Es gibt viele Einzelschicksale, welche in meinem ausführlichen Beitrag zwar angeführt werden, hier aber aufgrund der Zielgruppe und dem Alter mancher Schüler:innen nicht konkret erwähnt oder beschrieben werden.
Fakt ist allerdings: Es gab sie alle!
Diese Niederschriften und Berichterstattungen sind auch nur zustande gekommen, weil diese Vergewaltigungen zu einer Schwangerschaft führten und daher angezeigt
wurden. Eine Betroffene hat selbst berichtet, einen früheren Vorfall nicht gemeldet zu haben, da daraus keine Schwangerschaft resultierte. Das macht deutlich, wie sehr Frauen auch zu dieser
Zeit schon Angst hatten, solche Vergehen offen anzusprechen. Aus Scham wurde daher ein Großteil der Vergehen gar nie öffentlich bekannt. Das erklärt auch die große Schwierigkeit
mit den genauen Zahlen. Die Dunkelziffer ist also sehr hoch. Hochrechnungen eines Tübinger Studenten, welcher selbst mal wie wir auf das Kepi ging, geht von 15.000 Vorfällen zwischen April
und August 1945 allein in Württemberg-Hohenzollern aus.
Dass Frauen nach solchen Taten das Gefühl hatten, sich schämen zu müssen, ist meiner Ansicht nach eine unmenschliche Tatsache.
Allerdings hält diese bis heute leider immer noch an.
Der Abbruch einer Schwangerschaft, welcher aus einer Vergewaltigung resultierte, war dabei ein enormer Vorgang.
Man brauchte eine Aussage,
Zeugenaussagen, einen ärztlicher Bericht über die Schwangerschaft und einen Nachweis, dass man in den drei Monaten vor der Vergewaltigung keine sonstige sexuellen Kontakte hatte. Ein entsprechendes Dokument zählte daher schnell
mal um die 13 Seiten. Ein Vorgang, der mehrere Monate dauerte und während dem sich Frauen immer und immer wieder mit den unmenschlichen Ereignissen beschäftigen mussten, welche ihnen wiederfahren waren.
Dabei gehen auch nur vollzogene Vergewaltigungen in Statistiken ein. Von Versuchen, die gerade noch so verhindert wurden, ist kaum die Rede. Auch hiervon gibt es zeitgenössische Berichte.
Insgesamt spielt diese Thematik zu Beginn der Besatzung eine wichtige Rolle. Denn sie stellt Grenzbrüche verschiedenster Natur dar, wobei der eine menschenverachtender ist
als der nächste. Dabei wurden Grenzen besonders bei Frauen nicht nur "leicht beschädigt" oder "gebrochen". Sie wurden regelrecht zerstört, einfach umgehauen, als wäre es nichts. So, als gäbe es diese
Grenzen gar nicht.
Eine wirklich, wirklich schreckliche Zeit, die wir so auf gar keinen Fall vergessen dürfen. Aber auch in der Gegenwart darf das bei keiner Frau passieren . Niemand
sollte so etwas durchmachen müssen. Nie wieder!